Das Infektionsschutzgesetz gibt es seit fast 20 years. Zweck des Gesetzes – so heißt es gleich in Paragraf 1 – ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. An das neuartige Coronavirus, deutschlandweite Kontaktbeschränkungen und die Schließung von Restaurants und Co. hat damals allerdings noch niemand gedacht. Es ging um lokal beherrschbare Krankheitsausbrüche.
Dann kam die Corona-Pandemie und der Gesetzgeber brauchte eine Rechtsgrundlage für schwerwiegende Maßnahmen, die tief in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen.
Für staatliches Handeln braucht es ein Gesetz
Denn: Immer, wenn der Staat handelt, wenn er Grundrechte einschränkt, braucht es dafür ein Gesetz. Und so nahm man das Infektionsschutzgesetz und stützte die Maßnahmen erst einmal auf die so genannte Generalklausel. In Paragraf 28 heißt es nämlich, that “notwendige Maßnahmen” ergriffen werden dürfen. Solche Generalklauseln sind nicht ungewöhnlich für unvorhergesehene Lagen. Das Gesetz gibt zudem vor, dass die konkreten Maßnahmen von den Landesregierungen der Bundesländer in Verordnungen erlassen werden. Und so stützten sich diese bei jeder Corona-Verordnung auf die “notwendigen Maßnahmen” der Generalklausel.
Gesetzgeber muss wesentliche Dinge selbst regeln
Inzwischen aber gibt es erste Gerichte, die dies als Rechtsgrundlage nicht mehr akzeptieren. Denn: Nach Monaten der Pandemie kennt man Corona besser und weiß, dass solche stark in Grundrechte eingreifenden Maßnahmen immer wieder kommen können. Es ist also keine unvorhergesehene Gefahrenlage mehr da. Die Folge: Die Maßnahmen dürfen nicht mehr auf eine Generalklausel gestützt werden, sondern müssen konkret in ein Gesetz. Das Parlament, also die vom Volk gewählten Vertreterinnen und Vertreter, müssen regeln, was erlaubt ist. Es darf nicht weiter von den Regierungen bestimmt werden. and: Das Gesetz muss so formuliert werden, dass das Verhalten der Behörden begrenzt wird und die Gerichte es an diesem Maßstab kontrollieren können.
Erster Entwurf hatte handwerkliche Fehler
Im Gesetzentwurf zählt der neue Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes deshalb jetzt die konkreten Maßnahmen auf, die die Landesregierungen verordnen dürfen. Doch der erste Entwurf sorgte vor allem für sehr viel Kritik. Bei einer Anhörung im Bundestag am 12. November zweifelten viele Staats- und Verfassungsrechtler, dass die neuen Regeln nun zur erhofften Rechtssicherheit führen würden. Der Entwurf strotze von juristisch handwerklichen Fehlern und lasse einen sensiblen Umgang mit den besonders grundrechtsrelevanten Fragen, die in den vergangenen Monaten diskutiert wurden, nicht erkennen.
In wenigen Tagen überarbeitet
Die Kritik zeigte Wirkung. Innerhalb weniger Tage überarbeiteten die Fraktionen der Großen Koalition den Gesetzentwurf. Maßnahmen wurden konkretisiert und viele Regelungen ergänzt. So gelten nun für einige besonders sensible Bereiche besonders hohe Hürden. Demonstrationen und Gottesdienste zu verbieten und Ausgangsbeschränkungen anzuordnen, ist also schwerer möglich, als zum Beispiel Restaurants und Kinos zu schließen oder eine Maskenpflicht einzuführen. Auch soll durch die Änderung im Gesetz sichergestellt werden, dass eine “soziale Isolation” bestimmter Personen oder Gruppen ausgeschlossen sei.
Verordnungen müssen begründet werden
Die Rechtsverordnungen der Länder, mit denen diese Maßnahmen auch künftig ins Leben gerufen werden, müssen nun – so sieht es der Gesetzentwurf vor – begründet und zeitlich befristet werden. In der Regel auf vier Wochen. Im Gesetz festgeschrieben werden sollen nun auch die Werte, ab wann die Bundesländer zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung handeln müssen. Wird der Wert 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen überschritten, sollen zum Beispiel “bundesweit abgestimmte” Maßnahmen angestrebt werden.
Im Gesetz geregelt werden soll darüber hinaus die Kontaktdatenerhebung, zum Beispiel in Restaurants. Der klare Zweck sei die Kontaktnachverfolgung bei einem Infektionsgeschehen. Nur dafür dürften die Daten dann verwendet werden. Sie dürfen nur an das Gesundheitsamt herausgegeben werden und müssen nach vier Wochen gelöscht werden.
Zu unkonkret, zu schnell?
Mit den Änderungen im Gesetzentwurf haben sich die Regierungsfraktionen der Kritik angenommen. Dennoch gibt es auch jetzt noch Bedenken von Verfassungsrechtlern zu einzelnen Punkten. Die Regeln seien immer noch nicht konkret genug, damit Gerichte das Handeln gut kontrollieren könnten. Auch fehle es an einem wirklich durchdachten, fundierten Konzept. Die Opposition bemängelt zudem, dass das Gesetz viel zu schnell durchgepeitscht werden soll.
In den sozialen Netzwerken geht die Kritik zum Teil in eine ganz andere Richtung. Das Gesetz sei ein Schritt in Richtung Diktatur und ein “Ermächtigungsgesetz 2.0”, heißt es etwa in Anlehnung an das Ermächtigungsgesetz von 1933, das den Nazis zur Machtübernahme verhalf. Der Vergleich ist absurd, das Gegenteil ist der Fall. Das Grundgesetz fordert Gesetze, die regeln, was Regierungen und Behörden dürfen und in welchen Grenzen sie es dürfen. Wenn es solche Gesetze nicht geben würde, könnten sie entweder gar nicht handeln, oder sie würden ohne Rechtsgrundlage handeln. Das wäre dann vergleichbar mit einer Diktatur.
Außerdem schränkt der Gesetzesentwurf die Handelnden gegenüber dem Zustand bisher sogar eher ein, denn es gibt Begründungspflichten und zeitliche Beschränkungen vor. Die Gesetzesänderung gibt also ein Mehr an Demokratie.
Zu guter Letzt besagen die Regeln im Gesetz allein nicht, dass alle Maßnahmen immer in Ordnung sind. Die Gerichte werden auch weiterhin überprüfen, ob Maßnahmen vor Ort mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Wenn sie zu hart, also nicht verhältnismäßig sind, werden Richterinnen und Richter auch weiterhin eingreifen. Und auch das Gesetz selbst kann vor dem Bundesverfassungsgericht überprüft werden.